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Are you afraid of the dark?

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Chapter 2

"Auch eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig"

- Charles Dickens

Als ich eintrat begrüsste mich der Duft von Kuchen, gefolgt von meiner neuen Mitbewohnerin Julia. Sie strahlte mich an und umarmte mich. Ihre Gesichtszüge wirkten deutlich entspannter, als all die Tage zuvor. "Hi Sophie, schön das du da bist. Ich war die letzte Woche zu sehr beschäftigt mit meinem Job im Büro, dass ich kaum Zeit für dich hatte...", Sie hat ihre Augen in einem sanften Goldton geschminkt und trägt einen beigen Lippenstift, passend zu ihrer weissen luftigen Bluse und der braun karierten Anzugshose. Diese Frau ist wirklich schön, wenn sie nicht abgearbeitet ist. "Kaffee?" fragt sie mich heiter. Ich nicke und setze mich an den Tisch neben den Kuchen. 3 Minuten später nimmt sie neben mir auf einem wackligen Stuhl platz und stellt mir die dampfende Tasse, eine Zuckerdose und die Milch hin.

"Du trinkst deinen Kaffee also auch mit Milch und Zucker. Wie ich... klingt viel versprechend. Ich hatte schon Angst, du könntest keinen Kaffee mögen, dass wäre schlecht für unser Zusammenleben", meinte Julia zu mir und tätschelt meinen Arm.

"Ja, ohne Kaffee könnte ich das Haus unmöglich verlassen...", antworte ich und warte darauf, dass sie mir endlich vom Kuchen anbietet. Nach einer kurzen stillen Pause frage ich sie nach ihrem Job, um keine unangenehme Stille entstehen zu lassen.

"Ich studiere an der Universität hier Wirtschaft, aber in den Semesterferien arbeite ich bei einer Versicherung, wo ich schon meine Ausbildung als Kauffrau abgeschlossen habe. Da am Montag auch bei mir wieder die Schule anfängt, musste ich die ganze Woche noch die letzten Aufgaben erledigen. Ich arbeite sonst immer am Donnerstagnachmittag, da ich dann keine Vorlesungen eingetragen habe. Du studierst auch an der Universität oder? Möchtest du eigentlich Kuchen?", fragt sie lächelnd und deutet mit der freien Hand auf das Messer.

"Ja, ich studiere aber Literaturwissenschaften, nicht Wirtschaft und ebenfalls JA, ich hätte gerne Kuchen" seufze ich beinahe und schneide zwei Stücke ab. Ich fragte sie nicht, aber ging einfach davon aus, dass sie auch wolle. Schweigend assen wir Kuchen und ich überlege mir, ob es wohl unhöflich wäre sie zu fragen, ob sie mich am Montag mitnehmen könnte. Doch da sie so offen ist und mir ein Gefühl von Wärme vermittelt, tue ich es trotzdem.

"Oh, natürlich, bitte entschuldige, dass ich nicht von selbst darauf gekommen bin...", antwortet Julia und steht auf um das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Sie hat wirklich Elan und ich bin froh, dass ich das Risiko mit dieser WG eingegangen bin.

Den restlichen Abend verbringe ich damit, die übriggebliebenen Kisten auszuräumen und stelle meine Lieblingsbücher ins Regal, welches nicht ansatzweise Platz für alle hat. Also schreibe ich einen neuen Punkt auf meine To-Do-Liste: Ein zusätzliches Regal kaufen, welches man an die Wand schrauben kann. Mich von meinen Büchern zu trennen ist keine Option. Meine Kleider habe ich noch nicht komplett eingeräumt, also durchwühle ich die Kisten auf der Suche nach einem Pyjama. Als ich keines finden konnte, zog ich ein altes Shirt von meinem Dad an, welches er eigentlich entsorgen wollte. Nun prangt mitten auf meiner Brust das ACDC Logo, eine Hose trage ich im Sommer nie. Julia sass auf dem Sofa und schaute sich eine Serie an, bei welcher gerade jemand schreiend sein Ende in einer Holzhütte fand. Wie kann man so etwas deprimierendes nur freiwillig ansehen? Kopfschüttelnd lief ich ins Bad und putzte mir die Zähne. Im Spiegel betrachte ich zu erst meine langen braunen Haare und dann meine Lippen. Innerlich hielt ich den Moment fest: Ich grinse mich selbst im Spiegel an, mit Zahnbürste im Mund, trockenen Lippen, unordentlichen Haaren, etwas verschmierter Wimperntusche um meine gewöhnlichen braunen Augen, geschmückt mit leichten Ringen darunter, die vermutlich vom Stress kommen und meinem ACDC Shirt. Das ist die neue Sophie, die freie und glückliche Version meiner Selbst, die heute Nacht zum ersten Mal in ihrem eigenen Zuhause schläft.

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