Kapitel 1
Wie ein geplanter Urlaub mein ganzes Leben durcheinander brachte… Anstatt Cocktails am Strand nur aufgekratzte Haut, Kopfschmerzen und Bäume. Sehr viele Bäume.
Mit einem schwere Atem kletterte ich aus den Wrackteilen. Unerklärlicher Weise war mein Platz relativ verschont geblieben und ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich hatte überlebt. Zwischen dem Rauch und Flugzeugüberresten erkannte ich nichts Lebendiges mehr.
„Hallo!“, rief ich mit der letzten Kraft meiner Stimme.
Nach ein paar Wiederholungen sank ich in mich zusammen und kauerte neben der brennenden Turbine.
Was ist hier nur passiert?
Es war eine kleine Maschine und diese war an diesem Tag von wenigen Menschen nur gebucht worden.
Nachdem ich mich etwas gefangen hatte und meine Gedanken ein wenig kontrollieren konnte, erhob ich mich und begann ein paar Schrottteile beiseite zu schieben um nicht doch noch jemanden retten zu können.
Meine zittrigen Finger tasteten die leblosen Körper. Kein Puls. Kein Atem. Nichts. Ich war völlig auf mich alleine gestellt in diesem riesigen Urwald im Nirgendwo.
Ich nahm irgendeine Tasche und packte sämtliche Lebensmittel und Getränke hinein die ich in der übriggebliebenen Bordküche noch bergen konnte. Es war Zeit aufzubrechen um nach Hilfe zu suchen. Ich war nicht die Frau die den Kopf in den Sand steckte. Nach ein paar Schritte spürte ich ein stechen in meinem Arm. Es war eine Schnittwunde die sich über meinen Oberarm zog. Ein Schal war mein Verbandersatz den ich feste herumband.
Die Sonne stand hoch am Horizont doch drang kaum durch das dichte Laubdach. Bäume so hoch wie Hochhäuser. Ein paar Affenlaute ließen mich zusammen zucken. Vermutlich gab es hier auch wilde Tiere die einem gefährlich werden konnten. Vielleicht war es völlig nutzlos hier nach Hilfe zu suchen. Aber ich musste es versuchen. Mein Proviant musste für ein paar Tage reichen. Irgendwas musste ich in dieser Zeit erreichen können.
Schnell überkam mich die Erschöpfung und ich rastete an einem Fluss. Die Hitze war ich definitiv nicht gewohnt und zwang mich meine Kleidung anzupassen. Das Hosenbein gekürzt, die Ärmel abgerissen. Die Schweißperlen tropften ungehalten mein Gesicht hinunter.
Ich dachte über meinen Urlaub nach den ich spontan gebucht hatte und eigentlich alleine genießen wollte. Die Arbeit und die Männer waren mir Daheim zu anstrengend geworden. Ein Urlaub sollte mir kurzzeitige Ablenkung bringen. Doch nun hing ich hier fest.
Ein lautes Knacken an der anderen Uferseite entriss mich aus meinen Gedanken. Eine Gestalt huschte zwischen Büschen entlang. Ein Mensch oder doch ein Tier?
Ich bewaffnete mich geistesgegenwärtig mir einem Stock und machte langsame Schritte zurück. Meine Augen starrten auf den Schatten. Ein weiteres Knacken und Knistern war zu hören und aus der undeutlichen Gestalt formte sich ein Mensch. In der Hand hielt er ein Speer. Meine Augen konnten es nicht fassen. Es war wohl eine Art Ureinwohner. Lange schwarze Haare, dunkelgebräunte Haut und ein paar ledrige Fetzen dienten ihm als Kleidung.
Ich hatte mal von kannibalischen Einwohnern gelesen und hoffte, dass ich nicht als Nahrungsquelle diente.
Völlig unerwartet stapfte er durch das Flussbett und kam zu mir herüber. Er schien keine Berührungsängste zu besitzen.
Er sprach in einer nicht verständlichen Sprache zu mir und hielt seine Hand ausgestreckt. Komischerweise beruhigte mich seine Geste und war plötzlich froh jemand Lebendiges zu finden.
Nun stand er vor mir. Sein Gesicht war mit schwarzer Farbe verziert. Da ich noch auf dem Boden hockte streckte er mir seine Hand aus an der ich mich hochziehen konnte. Er faszinierte mich etwas.
„Danke.“, sprach ich und hoffte er würde es irgendwie verstehen.
„Geht es dir gut?“, fragte er mich mit einem starken Akzent, den ich nicht zuordnen konnte. Ich war fast erschrocken, dass er meine Sprache konnte.
„Ja.“
„Da ist Blut.“ Er untersuchte vorsichtig meinen Oberarm in dem er den Schal beiseite schob.
Ich bemerkte plötzlich, dass er Recht hatte. Die Wunde hatte noch nicht aufgehört zu bluten. Sie musste tiefer sein als gedacht.
„Ich habe einen Knall gehört und bin sofort los marschiert.“
„Mein Flugzeug ist dort hinten abgestürzt.“
„Gibt es noch mehr, die Hilfe benötigen?“
„Nein. Nur mich.“
„Okay. Komm mit. Ich bringe dich ins Dorf.“
Er stemmte sein Speer in den Boden und drehte sich um. Ich folgte ihm zurück über den Fluss. In seiner Nähe fühlte ich mich sicher. Sein prächtiger Körperbau zog meine Blicke auf sich. Ich versuchte mit ihm mitzuhalten obwohl ich des Öfteren über ein paar Steine stolperte. Sein Gang war fast schon athletisch.
„Wie heißt du?“, fragte er mich während wir über Äste stiegen.
„Mein Name ist Rachel.“
„Ich heiße Bentoro.“
„Ich danke dir für deine Hilfe, Bentoro.“
Seine Augen weiteten sich als er auf mein Beine sah.
„Atakomo!“ Seine Stimme erschrak mich.
Ein Zwicken an meinem Oberschenkel ließ mich aufspringen. Etwas hatte mich gebissen. Reflexartig haute ich mit meiner Hand drauf so dass es abfiel und verschwand. Ein schwarzer Käfer hatte anscheinend Gefallen an mir gefunden.
Bentoro schmiss seinen Speer zu Boden und kam auf mich zu.
„Das ist ein Atakomo. Sein Gift wird dich in wenigen Minuten lähmen.“
„Oh mein Gott!“
Jetzt sterbe ich nicht an dem Absturz sondern an einem Käfer.
„Versuche ruhig zu atmen und deinen Herzschlag langsam zu halten. Ich muss das Gift heraussaugen.“
Was???
Der Käfer hatte an meiner Schenkelinnenseite zugelangt und er wollte es heraussaugen? Aber ich hatte wohl kaum eine Wahl.
„Zieh deine Hose aus und lege dich hin.“
Diesen Satz hörte ich bislang in einem anderen Zusammenhang.
Ich kam ihm nach und legte mich auf den moosüberdeckten Boden. Bentoro kniete sich zu mir hier und legte mein linkes Bein angewinkelt hin um seinen Mund ungehindert auf die Stelle pressen zu können. Ein furchtbares Brennen machte es mir sehr schwer mich nicht dagegen zu wehren. Ein brummen entkam meiner Kehle um mich etwas von dem Schmerz abzulenken. So verharrte ich nun in dieser Position mit seinem Kopf zwischen meinen Beinen und hoffte, dass es bald vorbei war.