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Schwarzer bunter Vogel

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Johannesburg

Endlich, dieser Flug hat mich fertig gemacht. Fast 11 Stunden in einer fliegenden Dose eingesperrt zu sein, ist definitiv Folter. Am Flughafen von Johannesburg angekommen und die nächsten 6 Stunden auf den Weiterflug nach Port Elizabeth wartend, schaue ich auf mein Handy. Dabei fällt mir der Streit mit meiner Mutter wieder ein und traurig stecke ich es wieder in die Hosentasche.


«Du kannst doch nicht einfach so nach Südafrika gehen, ohne uns Bescheid zu geben!», rief meine Mutter aus. Ich hatte meinen Adoptiveltern gerade von meinen Plänen, nach Südafrika zu reisen, erzählt. Mir war bewusst, dass sie auf keinen Fall damit einverstanden sein würden, weshalb ich alles heimlich organisiert hatte.

«Doch. Ich bin erwachsen und ihr könnt mir so oder so nichts mehr vorschreiben. Ausserdem ist schon alles organisiert und bezahlt.»

«Ich verbiete es dir dort hinzufliegen.»

«Kannst du nicht und was ist dein Problem? Ihr wart schliesslich selbst dort. Ihr habt mich dort adoptiert!»

«Nein haben wir nicht. Wir hätten nie und nimmer ein dunkles Kind adoptiert, aber da wir noch mehr Kinder wollten, konnten wir nicht wählerisch sein.»

Ich wusste, dass ich nicht der Liebling meiner Mutter war, schliesslich wurde ich bei Familienessen immer zuhause «vergessen» und bei den Fotos musste ich immer ganz rechts oder links stehen, damit sie mich ganz einfach

herausschneiden kann, ohne, dass es anderen zu sehr auffällt. Natürlich hatte sie mir das nicht gesagt, doch ich sollte ihr einmal das Handy bringen und ich bemerkte eine Nachricht von einer ihrer Freundinnen. Sie hatte eines der Fotos zurückgesendet und gefragt, was das für ein brauner Arm im Bild sei.

Ich blickte kurz zu meinem Vater, der genau so schockiert aussah, wie ich mich fühlte. Gemeinsam sahen wir die Frau, die ich meine Mutter nannte, an. Normalerweise war meine Mutter das genaue Gegenteil von rassistisch oder spielte es zumindest vor.

«Sara spinnst du eigentlich? Das ist unser Sohn, mit dem du da redest. Und was hast du plötzlich gegen Schwarze? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin auch ein Schwarzer!»

«Halt dich da raus Janeiro. Das ist was anderes. Du bist hier geboren, deswegen zählt deine Haut nicht als schwarz. Das geht nur mich und Raven etwas an.»

«Nein, wenn du etwas gegen Schwarze hast, geht das auch gegen mich! Ich werde Raven jetzt zum Flughafen fahren. Raven geh schon mal ins Auto.»

Fünf Minuten Später sass auch mein Vater im Auto und wir fuhren los. Die Fahrt ging schnell vorbei, ohne dass wir viel miteinander geredet hatten. Am Eingang zum Flughafen sah ich plötzlich alle meine Freunde stehen.

«Was tut ihr alle hier?», fragte ich gerührt.

«Natürlich sind wir hier, um dich zu verabschieden. Immerhin hast du kein Rückflug gebucht und wir wissen ja gar nicht, wann wir dich das nächste Mal sehen können», antwortete Vanessa, meine, bis zumindest noch vor ein paar Stunden, feste Freundin.

Die anderen nickten zustimmend.

«Danke, ich werde euch vermissen. Ihr könnt mich jederzeit gerne anrufen.»

Ich umarmte Vanessa und meine anderen Freunde und konnte mir die Tränen gerade noch zurückhalten.

Mein Vater begleitete mich noch zur Gepäckaufgabe und zur Sicherheitskontrolle. Beim Verabschieden konnte ich meine Tränen nicht mehr halten und sie kullerten meine Wange runter. Auch er hatte wässerige Augen bekommen.

«Viel Glück mein Sohn! Ich hoffe du findest dort alles, was deiner Seele Frieden schenkt.»


Auf der Suche nach einem Café, in dem ich die nächsten sechs Stunden totschlagen kann, komme ich an einem Einkaufsladen vorbei. Zudem sprudeln auch gleich die Nachrichten von meinen Freunden und meinem Vater rein, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Nachrichten handeln nur davon, wie es mir geht und ob ich bereits gelandet sei.

Ich will gerade antworten, als mich etwas Grosses umwirft.

«Hey! Kannst du nicht aufpassen?», presse ich hervor, da der Junge auf mir deutlich schwerer ist, als es meine Kraft erlaubt, «Du drückst mir die ganze Luft aus den Lungen.»

Er rappelt sich sogleich auf und entschuldigt sich: «Tut mir leid. Ich war abgelenkt und habe dich übersehen», dabei bietet er mir seine Hand zum Aufstehen an, die ich gerne annehme.

Der Junge oder eher Mann ist grösser als ich und hat goldblonde Haare, die oben länger sind als die Seitlichen, und mit viel Haargel hochgehalten werden. Sein Vollbart ist ebenfalls blond. Er hat stechend hellblaue Augen, auf seinen Armen sind Tattoos zu sehen und unter seinem weissen T-Shirt konnte man weitere Tattoos durchblitzen vernehmen. Er erinnert mich an Ragnar Lothbrok aus Vikings. Auch er beäugt mich.

«Seltsam, normalerweise übersehe ich keine so hübschen Jungs», schelmisch grinst er mich an. Das Blau in seinen Augen oder soll ich doch lieber sagen die Augen in seinem Blau, hauen mich beinahe wieder auf den Boden, als wir uns einige Momente ansehen.

Komplett irritiert durch sein Auftreten und seine Direktheit stammle ich nur: «Äh-ja, also ich geh dann mal.»

Ich versuche mich von ihm zu lösen, doch da unsere Hände immer noch verschränkt sind und er anscheinend nicht die Absicht hat mich gehen zu lassen, hält er mich immer noch fest. Er versucht sogar mich leicht an sich zu ziehen.

«Wohin so eilig, ich kenne doch noch nicht einmal deinen Namen. Ich bin Arvid und wie heisst du, Hübscher?»

«Mein Name ist Raven und jetzt würde ich gerne weiter nach einem Café suchen, wenn es dich nicht stört», ich entreisse ihm meine Hand, drehe mich auf dem Absatz um und laufe weg. Als ich ein paar Schritte gemacht habe, atme ich einmal tief durch. Ich spüre seinen Blick auf meinem Rücken.

«Man sieht sich immer zweimal im Leben!», höre ich ihn noch rufen, doch da verschwinde ich schon um die nächste Ecke.
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